Tell

„Tell“ von Joachim B. Schmidt

„Durch diese hohle Gasse muss er kommen..“, wer kennt sie nicht, die Geschichte des Schweizer Sagenhelden Wilhelm Tell, der angeblich sein Volk aus der Unterjochung der Habsburger befreit hat? Und das allein mit einem Schuss auf einen Apfel, den sein Sohn Walter auf dem Kopf trug! Friedrich Schiller hat das alles ja in seinem Drama unsterblich gemacht.
Und Joachim B. Schmidt? Er stellt die Geschichte ganz anders dar, erfindet sie quasi neu und schreibt sie um. Tell ist bei ihm ein selbstbewusster, trotziger, aber schweigsamer Bauer auf einem einsamen Berghof. Gessler ist nicht der stolze Landvogt, sondern ein von seiner grausamen Soldateska getriebener Mann, schwach und eitel. Dass sie sich in Altdorf begegnen ist reiner Zufall, dort findet der berühmte Apfelschuss statt.
Das alles liest sich wie ein Krimi. Viele kurze Kapitel, in denen einzelne Beteiligte ihre Sicht der Geschichte berichten, machen das Buch gut lesbar. Man kann es kaum aus der Hand legen und fühlt sich getrieben bis zum fulminanten Ende. Besonders gut hat mir gefallen, dass jede/r der Erzählenden seine ganz eigene Sprache findet, das ist sehr geschickt geschrieben. Gessler redet geziert, seine Soldaten grob und ungehobelt, Tell in eher kurzen Sätzen. Erst am Ende öffnet er sich und kann über die schrecklichen Erlebnisse in seiner Kindheit sprechen.
Ein ganz hervorragendes Buch, das aus einer von uns weit entfernten Sage fast einen Krimi macht!