Daniel Kehlmann: „Lichtspiel“

Die Qualität des Buches beginnt schon beim schlichten Cover. Wie durch einen schwarzen Vorhang sieht man den Schriftzug „Lichtspiel“, der Name des Autors sticht rot hervor. Die Farben der deutschen Flagge während der Nazidiktatur?
Kehlmann erzählt die Geschichte des berühmten Filmregisseurs Georg Wilhelm Pabst, der seine Karriere in den 1920er Jahren mit Stummfilmen begann und später hoch gelobte Tonfilme drehe, die zum Stil der Neuen Sachlichkeit gezählt werden. Er war bekannt als der „Rote Pabst“ und fürchtete Probleme nach der Machtergreifung der Nazis. Deshalb blieb er zuerst in Frankreich, dann zog es ihn in die „Traumfabrik Hollywood“, wo er allerdings nicht erfolgreich war. In dieser Zeit seines Lebens setzt Kehlmanns Roman ein.
Aus verschiedenen Gründen kehrt Pabst mit seiner Familie nach Österreich zurück, das jetzt Ostmark genannt wird. Schon in Hollywood hatte er verlockende Angebote der Nazis bekommen und nun versucht er das Überleben seiner Familie zu sichern, indem er sich auf das Angebot von Goebbels einlässt und Filme für die Bavaria in München dreht. Im Grunde verkauft er seine Seele und beugt sich den Zwängen der Zeit. Das ist nicht mutig, aber nachvollziehbar.
Kehlmann spricht in seinem Buch wichtige Fragen an, die nicht nur Cineasten interessieren. Wie kann man in einer Diktatur überleben? Kann man seine Hände in Unschuld waschen, wenn man mit dem Regime – aus welchen Gründen auch immer – kooperiert hat? Auch wenn Pabst keine Propagandafilme gedreht hat und auch in seinen Werken immer wieder Anspielungen gegen das Regime versteckte, so leiden er und seine Frau Trude doch unter der Situation, aber nach außen spielen beide mit. Sie lassen sich benutzen. Tragisch ist, dass ihr Sohn ein begeisterter Anhänger Hitlers ist und noch spät in den Krieg ziehen muss, aus dem er schwer verletzt zurückkehrt.
Ich habe keinen Film von Pabst gesehen, aber trotzdem ist die Figur sehr nahe und ich konnte die Zerrissenheit nachvollziehen. Kehlmann schreibt so, dass das Buch fast süchtig macht und man einfach immer weiterlesen muss. Dabei bleibt er eher auf der Sachebene, aber auch das weckt beim Leser starke Emotionen. Seine Recherchearbeit war sehr intensiv, man fühlt sich in die Zeit und die Figuren hineinversetzt.
Das Buch ist eines der besten, die ich in diesem Jahr gelesen habe und ich kann es allen empfehlen, die sich für Kino und Zeitgeschichte interessieren. Unbedingte Leseempfehlung!