Philipp Oemke: Schönwald

Dass ich jetzt über dieses Buch eine Rezension schreiben muss, macht mich zuerst etwas ratlos. Passagenweise hat mich das Buch restlos begeistert, es gab aber auch Teile, in denen es sich zog wie der sprichwörtliche Kaugummi.
Die Schönwalds sind keine einfache Familie. Der Vater Harry ist Staatsanwalt, seine Frau Ruth wollte eigentlich als Literatur-Professorin Karriere machen, aber wegen der Kinder gab sie das Vorhaben auf. Die drei erwachsenen Kinder könnten unterschiedlicher kaum sein. Chris ist ein beliebter Literaturprofessor in den USA, seine Schwester Karolin kriegt nicht auf die Reihe und will nun einen queeren Buchladen in Berlin eröffnen. Das jüngste Sohn Benni ist mit einer sehr reichen Tochter verheiratet und zerreibt sich zwischen den Ansprüchen seiner Eltern und denen seiner Ehefrau.
Das Buch wird immer wieder aus wechselnden Perspektiven erzählt und dabei kommen Erinnerungen hoch, die aber je nach Person vollkommen unterschiedlich ausfallen. Das ist einerseits menschlich spannend, andererseits aber auf Dauer manchmal auch ermüdend.
Philipp Oehmke kann hervorragend schreiben und bringt einen weiten Horizont in das Buch ein. Literatur, Musik, Politik spielen immer wieder eine tragende Rolle und als Leser kramt man dazu auch in seinen eigenen Erinnerungen. Er jongliert mit ironischen Elementen ebenso wie mit ernsthaften politischen und philosophischen Auseinandersetzungen. Besonders gut hat mir Oehmkes Blick auf die gesellschaftlichen Themen unserer Zeit gefallen, z.B. die MAGA-Bewegung von Donald Trump oder die sog. Cancel-Culture.
Auch wenn ich mich manchmal durch ein Kapitel kämpfen musste, halte ich das Buch doch für ein wichtiges Werk unserer Zeit, das sicher noch einige Diskussionen auslösen wird.