Judith Herrmann: Wir hätten uns alles gesagt

Dass Judith Hermann schreiben kann, das hat sie schon in ihren vorigen Werken bewiesen.

In diesem Buch wird sie sehr persönlich und schreibt über ihr eigenes Leben und über den Schreibprozess und was ihn beeinflusst.

Die Autorin wuchs in schwierigen Verhältnissen auf, der Vater war lange Zeit Alkoholiker und die Mutter musste die Familie mit Großmutter und drei Kindern am Laufen halten. Was von Weitem wie ein legeres Bohemienleben aussieht, war für die Kinder nicht einfach, nie konnten sie Freunde mit nach Hause bringen und sie passten nicht in bürgerliche Schemata. Judith Hermann suchte sich später eine Wahlfamilie, verlor aber nie den Kontakt zu den Eltern.

Das Buch besteht aus Erinnerungsfetzen, Betrachtungen über das Schreiben, über Träume und kleine Ereignisse. Man kann es nicht einfach so weglesen, es ist manchmal anstrengend den Gedankengängen zu folgen. Aber mich hat das Buch durch seine wunderbar sensible, klare und genaue Sprache beeindruckt. Viele Sätze möchte man sich anstreichen, weil sie so schön komponiert sind.

Mir hat auch das sehr ruhige Cover gut gefallen, im Hintergrund durch ein Fenster das Meer und im Vordergrund zwei Jacken und ein Fernglas an einer Garderobe. Man muss auch bei diesem Buch genau hinsehen, so wie Judith Hermann es tut.

Auf jeden Fall lesenswert für alle, die beim Lesen einen hohen Anspruch stellen.