Constanze Neumann: „Wellenflug“

Sanfte Wellen

In zwei Teilen bringt uns Constanze Neumann zwei sehr unterschiedliche Frauen näher. Im ersten Teil geht es um Anna, die aus wohlhabenden Verhältnissen stammt und den jüdischen Tuchhändler Adolph Reichenbach heiratet. Nach dem plötzlichen Tod Adolphs heiratet sie seinen Bruder Julius. Anna bekommt zahlreiche Kinder, die sie alle standesgemäß verheiraten will. Aber ihr ältester Sohn Heinrich widersetzt sich allen Konventionen und führt ein ausschweifendes Leben in Clubs und als Spieler. In einem Theater lernt er die Garderobenfrau Marie kennen. Sie ist eine Frau aus einfachen Verhältnissen. Marie ist die Hauptperson im zweiten Teil des Romans. Heinrich wird von seiner Familie nach Amerika geschickt, weil man sich erhofft, dass er dort zu einer mehr angepassten Lebensweise findet. Heinrich lässt Marie nachkommen und heiratet sie. Für Heinrich ist Marie der Halt und die Orientierung in seinem Leben.

Den Höhepunkt erreicht der Roman in Dresden zum Ende des zweiten Weltkrieges. Durch die jüdische Abstammung der Reichenbachs hat die ganze Familie größte Schwierigkeiten. Einige Mitglieder versuchen den Repressalien der NSDAP durch Flucht ins Ausland zu entgehen. Marie versucht mit geringsten Mitteln die kleine Familie durchzubringen.

„Sanfte Wellen“ habe ich als Überschrift über diesen Text gewählt. Wie sanfte Wellen kommt mir der Stil dieses Romans vor. Auch wenn es dramatisch wird und alles auf eine Katastrophe hinausläuft, bleibt Neumann doch seltsam distanziert. Eine gewisse Spannung ergibt sich nur in kleinen sanften Wellenbewegungen. Ich hatte den Eindruck, Neumann wird mit ihren eigenen Figuren nicht recht warm. Vielleicht wäre es an manchen Stellen gut gewesen, wenn sie den Text etwas gestrafft hätte.

Neumann hat sich bei der Recherche zu diesem Roman sehr viel Mühe gegeben. Die Beschreibung der immer wieder anderen Lebensumstände im Deutschland zum Ende des 19. Jahrhunderts und zu Beginn des nächsten Jahrhunderts bis zu den Lebensverhältnissen während des Kriegs werden sehr treffend beschrieben. Auch die amerikanische Lebensart während Heinrichs und Maries Aufenthalt in Amerika ist gut getroffen. Ein Roman für Liebhaber und Liebhaberinnen von Familiengeschichten.